Bei Tante Wiki kann man eine viele Seiten lange Begriffsdefinition und Entwicklungsgeschichte lesen: „Ausgehend von populären Operettenmelodien machte sich seit den 1920er Jahren der Einfluss von jazzigen Rhythmen und Harmonien in der Schlagermusik bemerkbar.“ Und gemäss MS Encarta von 2003 seien kennzeichnend: „… einfachste musikalische Strukturen und triviale Texte, die an das Harmonie- und Glücksverlangen des Zuhörers appellieren“. Dabei seien „die Grenzen zur Popmusik und volkstümlichen Musik fliessend“.

Unter Schlager verstand meine Generation, d.h. Leute, die Ende der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts den ländlichen Tanzböden und den städtischen Dancings nachgingen, einfach Tanzmusik. Das waren alle denkbaren Rhythmen, die man vom Tanzorchester in schöner Abwechslung erwartete. Die Lieder aus dem deutschsprachigen Repertoire stammten zwar damals schon aus den Kategorien Tingeltangel, Gassenhauer und vor allem Schnulzen. Sie waren aber melodiös und bedienten uns mit Foxtrott, Slowfox, English Waltz, Walzer, Tango und den lateinamerikanischen Rhythmen.

Daneben gehörten zu den dannzumaligen hierzulande bevorzugten Hits aber auch die aktuellen französischen Chansons und natürlich die Canzoni vom San-Remo-Festival, die durch die sogenannten Gastarbeiter bei uns populär wurden.
Und selbstverständlich die Jazz-Standards und evergreenen Weisen der Swing-Ära aus dem Great-American-Songbook.

Zu Ländlern wurde gewalzert und Marschlieder und Polkas waren Schieber. Bei Damenwahl spielte die Kapelle rücksichtsvoller weise solche Schieber, damit sich ein untalentierter Tänzer sicher nicht blamieren musste, wenn er engagiert wurde.

Unter Rock ’n‘ Roll verstanden wir den Chilbi-Rock von Bill Haley und dem frühen Elvis Presley, Musik, die man von den Auto-Scooter-Bahnen her kannte. Auch beim sogenannt «offen» Tanzen hielt man sich mindestens mit einer Hand. Der Begriff Paartanz war nicht bekannt; es gab ja gar nichts anderes.

Jede Radio- und TV-Station leistete sich ein grosses Unterhaltungsorchester. Die Musiker des Unterhaltungs-Genres waren noch nicht in die Katakomben der Tonstudios verbannt. Im Fernsehen gab es viel Big-Band-Livemusik mit Musikern, die eine ihnen zustehende wichtige Rolle spielten und nicht als nebensächliche Hintergrund-Dekoration für den Playback-Sound eines Gesangsstars herhalten mussten.

Liest man heute in TV-Programmen der deutschsprachigen Länder etwas von Schlager, dann ist klar, dass damit ein ganz besonderes Genre gemeint ist. Nichts Grundsätzliches gegen diese Schlager; auch davon gibt es ausnahmsweise bewundernswerte Müsterli und Interpreten. Unterhaltung muss ja schon von der Sache her nicht nur immer höchsten geistigen Ansprüchen genügen. Aber kann es wirklich nur noch ausschliesslich dieser Bumm-Tätsch-Klatschparade-Rhythmus sein. Heisst denn Schlager heutzutage nur noch Party-Sound mit Mitgeklatsche? Ist dies kommerziell am interessantesten? Ich empfinde es als Verarmung und es erinnert mich leider immer nur an Marschmusik.