Ich bin der obere Tschoopenknopf an Rogers neuem Tschoopen. Roger war immer stolz auf uns drei schönen Knöpfe an der Jacke seines alten Anzugs und der Herrenschneider hat ihm empfohlen, die Knöpfe am neuen Tschoopen durch mich und den einen Kollegen zu ersetzen. Das hat auch uns mit Stolz erfüllt, obwohl wir nur schwer verwinden konnten, dass uns unsere langjährige Nummer drei nun für immer verlassen musste.
Mir wurde der obere Platz zugeteilt. Was ich vorerst noch nicht wusste, war die böse Konsequenz dieses Entscheids des Schneiders. Er erklärte Roger, die neue Mode verlange ein ganz anderes Erscheinungsbild eines Sakkos. Dies war für mich der erste Tiefschlag. An ein Sakko sollte ich nun also appliziert werden. Der alte Schneider hatte immer von einem Veston gesprochen, ebenfalls eine mir bisher unbekannte Bezeichnung. Mindestens hatte ich ihn in meinem französisch-sprachigen Bekanntenkreis nie gehört. Der neue Mann hatte aber seine Schneiderlehre in Deutschland gemacht, weshalb wir nun also zu einem Sakko gehörten. Die Branche scheint Mühe zu haben, den oberen Teil eines Anzugs zu benamsen. Wenigstens heissen aber die Hosen noch immer so, wenn auch die engen Hosenröhrli die krummen Fussballerbeine nicht vorteilhaft aussehen lassen.
Der zeitgemässe Schnitt sei Slimstyle. Die Schultern seien nicht mehr durch Achselpolster betont, das Revers schmäler und länger, das ganze Sakko hingegen kürzer. Man könne es offen tragen; beim Sitzen sei dies gar nicht anders möglich. Beim Aufstehen schliesse man empfohlenerweise den oberen Knopf. (!)
Dies war nun offenbar mein Todesurteil, wenn auch nur mit etappenweise aufgeschobenem Vollzug, jedoch mit vorheriger grausamer Folterung: Jedes Mal wenn sich Roger erhebt, zieht er mich an meiner Rundung resolut mit dem Knopfloch auf der Gegenseite zusammen und stranguliert mich auf das Schlimmste. Dies ebenfalls zum Leidwesen meines neuen Hälsligs, der zwar extra stark ausgebildet wurde. Trotzdem ist es nur eine Frage der Zeit, wann er reissen wird und wir zusammen ins Grab fallen.
In Rogers Kleiderschrank hängen auch noch ältere Tschööpen. Einer hat mir Mut zugeredet und darauf hingewiesen, dass die Mode periodisch ändert und jene von früher plötzlich wieder zum letzten Schrei wird. Hoffentlich erlebe ich dies noch und vielleicht will mich mein Mensch dann wieder an seine neue Schale übertragen lassen.