Schweigen sei Gold, aber Reden doch immerhin Silber. Wer etwas zu sagen hat, soll sich hören lassen.
Dem Reformator Martin Luther wird ein Ausspruch zugeschrieben, der als Rezept für Redner gilt:
«Tritt frisch auf, tu’s Maul auf, hör bald auf.»

In der Antike mussten Volksvertreter in Parlamenten eine strenge Rhetorik-Schulung absolviert haben. Das freie, überzeugende Reden galt als Kunst. So wie zum Beispiel bei Cicero. Was man heute am Fernsehen in der guten Stube als Übertragung aus den Sessionen der Eidgenössischen Räte oder auch von den Medienkonferenzen des Bundes serviert bekommt, ist etwas anderes. Da sieht man dann jemanden am Rednerpult hängen oder hinter Mikrofonen sitzen, der da reden sollte, aber eigentlich nur etwas vorliest. Man sieht einen Menschen mit der Nasenspitze in seinem Zettel. Von überzeugenden Worten hinten und vorne keine Rede. Die Voten der Parlamentarier, kompatibel mit dem Parteibuch, hätte ja problemlos der Sekretär schreiben können. Aber die vorlesende Person suggeriert, der Text sei von ihr. Sogar der Papst liest das Urbi et Orbi aus einem ihm hingehaltenen grossen Buch ab. Und auch die UNO-Vollversammlung muss die Voten zu den brisantesten Themen der Weltpolitik als langweilig vorgelesene Statements über sich ergehen lassen,.

Parlament kommt doch von parlare und die Mitglieder sollten dort reden. Die Opposition sollte von den Ausführungen überzeugt werden als eine gute Lösung für die zu behandelnde Sache. Aber so ist es begreiflich, dass niemand Interesse hat, zuzuhören. Gut Vorlesen wäre die eine Sache. Doch zudem ist die geschriebene Beamtensprache für eine lebendige Rede zu gehoben. Das Resultat erstaunt dann nicht, wenn alle denken, statt zuzuhören könnte man den Text gerade so gut selber lesen. Und Zeitungen sind ohnehin amüsanter als lauwarme Reden.

Nach welchen Anforderungs-Kriterien stellen die Parteien ihre Kandidatenlisten zusammen, wenn es um Wahlen in ein Parlament geht? Nach Karriere-Stationen der absolvierten Ochsentour, begonnen als Stimmenzähler? Nach dem Geschlecht? Oder sogar nach weniger moralisch vertretbaren Eigenschaften? Wäre doch eigentlich logisch. Auch gute Ideen müssen erst noch gut verkauft werden. Ehrlicherweise muss ich aber zugestehen, dass es in Bundesbern doch noch ein paar löbliche Ausnahmen gibt, die am Rednerpult frisch aus dem Bauch heraus sprechen. Erstaunt es, dass die Wähler für solche Volksvertreter eine Vorliebe zeigen? Sollten nicht die Parteien die Wahllisten-Plätze auch so vergeben?

Und zum Schluss noch ein Vorschlag für das Fernseh-Team im Medienzentrum des Bundes: Die Kamera tief unten montieren, anstatt so hoch in der Luft! Die abgesenkten Bundesrats- und Beamten-Häupter auf dem Podest würden dann eher auch Gesichter zeigen anstelle von Kahlstellen auf den Schädeln.