Bericht über meine KV-Lehre 1959 – 1960, die ich nach einem Welschlandjahr als 17-Jähriger begann.

Das damalige Angebot für eine KV-Lehrstelle des heute seit Jahren nicht mehr existierenden Musikhauses Spahni+Co in Zürich-Unterstrass und der Augenschein anlässlich des Vorstellungsgesprächs führten zu einem schnellen Entschluss: ich wollte mich hier in diese faszinierende Welt voller Musikinstrumente und einer kleinen Grammo-Bar begeben. Das Geschäft war in den Jahren des Handörgeli-Booms von Walter Spahni, dem damals bekannten Flugakrobaten gegründet worden. 

Nachfolgend die Schweizer Filmwochenschau vom 29. August 1952 via Play SRF.

Filmwochenschau vom 29.08.1952

1959, bei meinem Eintritt, war er längst seinen Fliegertod gestorben. Es handelte sich um ein Geschäft für Volksmusiker, Amateur-Jazzer, Tanzmusiker, Blasmusikvereine und deren Equipement: Handharmonikas, Akkordeons, Gitarren, Blasinstrumente aller Art und Schlagzeug-Drumsets. Zu meiner Zeit waren im Ladengeschäft nebst Schallplatten an der Grammo-Bar die meistverkauften Instrumente akustische Gitarren und Blockflöten für Kinder. Anderes war schon damals viel mehr Teil des Versandgeschäfts in die ganze Schweiz auf der Basis von in Heftli-Inseraten angepriesenen Katalogen mit Bestellschein. Bei Spahni gab es eine Werkstätte für Blasinstrumenten-Reparaturen und mit einer Ecke für das Reich des aus Stradella stammenden Akkordeon-Bauers. Das bereits aufgegebene frühere Radio/Fernseh-Geschäft bestand noch aus einem Werkstattraum mit einem stundenweise anwesenden Ehemaligen, einem Radio/TV-Techniker, der sich mittlerweile in eigenen Räumen selbständig gemacht hatte und bei Spahni+Co den Reparaturservice für seinerzeit verkaufte Geräte ausführte.

In der Sparte meines eigentlichen Lehrberufs fiel nichts für meine Ausbildung ab. Der Geschäftsführer und eine Verkäuferin waren die einzigen Personen mit kaufmännischem Bezug. Ohnehin wurde die Buchhaltung ausschliesslich vom Chef als sein Geheimnis in der Tabuzone seines Büros geführt. Glücklicherweise machte in der KV-Lehre die Berufsschule zeitlich und inhaltlich einen wesentlichen Teil der Ausbildung aus, sodass ich in den drei Jahren KV-Schule doch einiges dazulernte.

Ab Anbeginn war ich selbständig und verantwortlich mit der Korrespondenz für Geldeintreibungs-Mahnschreiben an Kunden beschäftigt, welche mit Abzahlungsverträgen einer Kleinkreditbank ein Instrument auf Abzahlung gekauft hatten. Wenn deren Ratenzahlungspflichten gegenüber der Bank nicht erfüllt waren, wurde uns die Kreditfinanzierung eben wieder zurück belastet. Solche Instrumente mussten «ins Depot» zurückgegeben werden. Und für diese bei uns eingelagerten, vertraglich verkauften Güter musste versucht werden, die Kaufverpflichtung des Kunden durchzusetzen. Immerhin lernte ich so das Einholen von Betreibungsauskünften und das SchKG mindestens bis und mit erfolglosen Pfändungsbegehren gut kennen.

Die Büroarbeit füllte mich bei Weitem nicht aus. Einen wachsenden Teil davon führte ich an einem Schreibtisch in der Büroecke hinter dem Ladenbereich aus. Es war das Reich der Verkäuferin, einer ältlichen ledigen Dame, mit der ich somit im oft ruhigen Laden viel Zeit verbrachte und mit der ich sehr gut auskam. War aber mehr als ein Kunde im Laden, wurde ich so zum zweiten Verkäufer. Es machte mir Spass, Eltern, die für das Kind eine Gitarre aussuchten, mindestens auch noch ein schönes Futteral und eine unabdingbare Stimmflöte dazu zu verkaufen. War im Laden über längere Zeit «tote Hose», nutze ich nur zu gerne die Gelegenheit, als Quasi-Multiinstrumentalist auf dem Vibraphon zu klimpern oder die Ausstellungsstücke der Akkordeons und der Blasinstrumente auszuprobieren. Für den Verkauf der grösseren, teureren Instrumente war in Personalunion der Prokurist, Blasmusikinstrumenten-Reparateur und Stellvertreter des Geschäftsführers zuständig.

Inzwischen hatte ich auch privat meine musikalischen Hobbies intensiviert: das autodidaktische Klavierspiel und die Blasmusik, wofür ich inzwischen bei der Stadtmusik Dübendorf als Zugposaunist wirkte, rekrutiert von meinem Vater, der als ehemaliger Militärtrompeter dort mitspielte. Bei einer ziemlich laienhaften Brüttiseller-Start-Up-Tanzkapelle kam ich halbherzig mit der Trompete und dem Saxophon auf den Tanzmusik-Geschmack.

Orchester Patricia 1959
Orchester Patricia 1959
Duo Snobby’s 1960 bis 1964
Duo Snobby’s 1960 bis 1964

Aus Kundenkontakten im Spahni-Laden zu Musikern der damals aufkommenden Bar-Duos in den Zürcher Vergnügungsvierteln im Niederdorf und in den Kreisen 4 und 5 ergaben sich Gefälligkeitsdienste als Einspringer bei dem einen oder anderen Ausfall eines Akkordeonisten. Dabei sah ich, wie bei den Schlagerrepertoires der möglichst Cover-echte Gesang wichtiger war als virtuoses Instrumentalspiel. Die Unterhaltungs-Duos hatten ihre Verstärkeranlagen mit dem Zwischenschalten von Revox-Tonbandgeräten zu Echo-fähigen Gesangsanlagen aufgemotzt. Da hörte ich mich in der Allotria-Bar an der Limmatstrasse erstmals in ein Mikrofon mit Hallgerät singen und war sogleich angefixt. Vor allem natürlich, weil ich merkte, dass es bei Kollegen und dem Publikum ankam. Da war es schnell fertig mit Dorf-Tanzkapelle und dem Teilen der Gage durch vier. Zusammen mit «Dooley», dem Schlagzeuger und der inzwischen beim Arbeitgeber vorhandenen professionellen Gesangsanlage stellten sich bald Monatsengagements ein für allabendliche Auftritte im Allotria, dem Longstreet, dem Moby-Dick oder den Wochenend-Tanzlokalen Gartenlaube Frauenfeld und Frauenfelder Wetzikon. Da war dann die happige Aufbesserung des kargen Stiftenlohns wichtiger als die beeinträchtigte körperliche Kondition anderntags am lockeren Arbeitsplatz.

Im Lehrbetrieb änderte sich nach absolvierter Autofahrprüfung auch einiges. Am Morgen trat ich den Dienst nicht im Büro oder dem Laden an, sondern auf der Post Schaffhauserplatz. Da holte ich an der Rampe die oft recht umfangreiche Päcklipost ab und brachte sie in den Speditionsraum von Spahni. Wenn es begreiflicherweise etwas später wurde, wusste auch der Chef warum. Im Verkauf wurde die als Generalvertretung übernommene, aus Italien importierte Gesangsanlage zu einem Renner. Interessenten benötigten jeweils eine Demo-Vorführung, wofür der Prokurist den Lehrling Hans samt einem Klavierakkordeon aus dem Laden ans Mikrofon beorderte. Solche erfolgreichen Verkäufe brachten mir viel Goodwill. Mit dem Geschäftsauto, einem schon älteren Opel-Rekord-Caravan, fuhr ich in der Stadt herum zum Abholen von Bestellungen bei Musikalien-Grossisten oder holte defekte Radioapparate zum Reparieren ab. So kannte ich als Landei die Zürcher Strassen bald so gut wie ein Taxifahrer. Vor der militärischen Aushebung erwartete mein Chef, dass ich mich als Anwärter für das Spiel melden sollte. Dies hatte dann auch geklappt und es kam mir sehr entgegen, dass ich zu einem waffenlosen Dienst eingeteilt wurde. Die Lehrabschlussprüfung konnte ich alsdann im Frühjahr 1962 trotz der mangelhaften Ausbildung im Lehrbetrieb gut bestehen und ich trat vor dem Antritt der Rekrutenschule bei Spahni+Co aus. Rückblickend muss ich feststellen, dass diese drei Lehrlingsjahre für mich eine schöne und interessante Zeit waren, wie sie wohl nicht gerade jeder Stift erlebt.

20.08.2025/hA