Natürlich hat mir die Ungewissheit um die Umbenennung der Rosen- in Rossenstrasse keine Ruhe gelassen. Beim Forstbetrieb Winterthur zeigte sich Herr Beat Kunz als sehr hilfsbereit und verwies mich auf das 331. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur von 2001, wo von Roosen, Rossen oder Roossen als bewässerten Gruben für die Flachsverarbeitung die Rede ist.

Unter den Suchwörtern Rossen, Roosen, Roossen, Rotten, Rösten ist im Web so einiges zu finden, das zeigt, dass im Zusammenhang mit dem Anbau und der Verarbeitung von Flachs (Leinen) und Hanf vielerorts abgelegene Weihergebiete und Wiesen entsprechende Flurnamen erhalten haben, deren Schreibweise allerdings seit langem meist zu Rosenacker oder Rosenweid usw. abgeschliffen wurde. Der Prozess des Rossens oder Roossens bei Flachs und Hanf wird heute als Rotten (verrotten = verfaulen) oder Rösten (wegen des anschliessenden Trocknens) bezeichnet. Immer geht es darum, die Röhricht-Faserpflanzen mit Wasser oder auch nur Taunässe zum Gären zu bringen, damit sich die Pektine im Pflanzenstängel lösen. Ohne die Wirkung dieses Pflanzenleims lösen sich die Fasern (der Bast) vom Stängel und können zum Spinnen vorbereitet werden. Auf hanf-info.ch steht zu der textilen Verwertung der Hanf-Pflanzen: „Nun werden die Garben für ungefähr 10 Tage in wassergefüllte Gruben, die so genannten Hanfrosen (Hanfroozzen) zum Rösten oder Rotten gelegt.“

Es findet sich aus Goldach SG ein Hinweis auf die Schrift “Wasser, Feuer, Licht” von Prof. Dr. J. Reck. Er schreibt darin zu den Rossengruben: „Hierhin brachten die Bauern ihren auf dem eigenen Acker geernteten Hanf und Flachs zur weiteren Verarbeitung. Die Bündel wurden in die mit Wasser gefüllten Gruben (Roosen) gelegt, mit Brettern zugedeckt und mit Steinen beschwert. Dort gärten die Pflanzenstängel während 2 bis 4 Wochen. Zurück blieben die Fasern – der Bast-, aus denen das Leinengarn gesponnen wurde. Durch das Gären entstand ein durchdringender Gestank, den jeder Bewohner mied. Die Gruben lagen daher abseits von menschlichen Siedlungen.
Grosse Bedeutung erlangten die Roosen in der Blütezeit des st. gallischen Leinwandgewerbes. Die Verarbeitung zu Linnen (Leinwand, Leinwandstoff) brachte willkommenes Bargeld in den bäuerlichen Haushalt.
Noch um die Jahrhundertwende wurde bei Liegenschaftsverkäufen sorgsam darauf geachtet, dass bestehende Roosrechte auf den neuen Besitzer übergingen.
Auch die Flurnamen Rosenegg und Rosenheim lassen sich auf “Roosen” zurückführen. Sie erinnern versteckt an diesen entschwundenen bäuerlichen Erwerbszweig.“

Und in „Heimatkunde Pratteln“, Verlag des Kantons BL, Liestal 2003, schreibt der Schriftsteller Markus Ramseier zum Flurnamen „Rosenmatt“: „Eine Matte, auf der einst Rosen wuchsen? Kaum! 1387 hiess die Flur Matten zu Rossen. Keine Rossweide! Ross bezeichnete vielmehr einen kleinen Teich zum Einlegen und Erweichen – Rossen – von Hanf und Flachs. Die Rossmatte war die Wiese, auf der man die Pflanzen den Witterungseinflüssen von Regen und Tau aussetzte, anstatt sie in den Teich zu legen. Im Ros(s)enloch wurden die Hanfstängel auf einem Holzgerüst geröstet, damit sich der Bast leicht lösen liess.“

An anderer Stelle liefert die Autorin Sabine Denner sogar die gewünschte Etymologie: „Andere Flurnamen nehmen auf die Bodenbeschaffenheit Bezug, zum Beispiel die Liestaler Röseren. Mit Rosen hat sie nichts gemein. Röseren kann man vielmehr auf ein uraltes germanisches Wort rauz zurückführen, das «Rohr, Röhricht» bedeutet. Der sumpfige Boden hat folglich zum Namen geführt.“

So sind wir, dank unserem Forstbetrieb, mit der neu bezeichneten Rossenstrasse im Eschenbergwald bei den Flurnamen viel authentischer als andere anderswo. Typisch Winterthur eben!.